Schwer diagnostizierbare Krankheiten behandeln

Die Universitätsklinik für Rheumatologie & Immunologie des Inselspitals, Universitätsspital Bern behandelt oft Patientinnen und Patienten, die aufgrund einer unklaren Symptomatik bereits längere Krankheitsverläufe ohne Besserung hinter sich haben. Dies weil rheumatische und immunologische Erkrankungen oft schleichend beginnen und zuerst nicht alarmierend erscheinen. Zusehends beeinträchtigen sie jedoch den Allgemeinzustand und werden schwerbelastend, da sie Organschäden und Behinderungen hervorrufen können. Das erfordert von medizinischen Fachpersonal neben empathischer Betreuung einen hohen Spezialisierungsgrad – so auch beim Behçet-Syndrom.

Das Frühjahr 2022 hat Celine C. etliche, sehr unspezifische rheumatische Beschwerden beschert. Diese vermeintlich vernachlässigbaren Schmerzen beeinträchtigten zu Beginn lediglich ihr Wohlbefinden, verstärkten sich jedoch stetig zu Schmerzen, die sie bei der Arbeit, in der Freizeit und in ihrem gesamten Wohlbefinden enorm einschränkten und ihr den Schlaf raubten. Die gängigen Hausmittel wie auch erste Untersuchungen und Behandlungen beim Hausarzt brachten weder Besserung noch Klarheit 
Celine C. leidet an einem Behçet-Syndrom, einer seltenen Gefässentzündung (Vaskulitis) unklarer Ursache, die als wiederkehrende Multisystemerkrankung ungewöhnlich viele Ausdrucksformen aufweist. Deshalb ist die Krankheit schwer diagnostizierbar; und aufgrund der unspezifischen Symptomatik sind Fehldiagnosen verbreitet, die verhindern, dass Betroffene rechtzeitig richtig therapiert werden. Für Celine C. war die Diagnose selbst nicht überraschend. Sie lag 2012 bereits mit einem massiven Schub im Inselspital. Jedoch ging sie davon aus, dass die Manifestationen mit zunehmendem Alter abnehmen würden – jedoch ähnliche Ausprägungen hätten, was bei Ihr jedoch nicht der Fall war.

Seltene Krankheit häufig nicht oder falsch diagnostiziert
Das Behçet-Syndrom ist eine seltene Krankheit, die vor allem im Mittelmeerraum entlang der alten Seidenstrasse auftritt. Das häufigste Symptom sind wiederkehrende Aphten (welche Celine C. diesmal nicht hatte) im Mund und Genitalbereich; Augenentzündungen wie Uveitis, Iritis und Hypopyon mit der Gefahr der Erblindung sowie vielfältige Haut- (z.B. Papulopusteln) sowe Hirnparenchymentzündungen oder Blutgerinnsel während Gelenk- oder Wirbelsäulenmanifestationen und Sakroilleitis weniger typsich sind.

Eine Diagnose erfolgt anhand der klinischen Kriterien, gegenbenfalls mittels Pathergietest und/oder über eine Computertomographie oder ein MRI. Die Therapie des Behçet-Syndroms richtet sich nach der Schwere beziehungswiesen den vorhandenen Organmanifestationen sowie der Häufigkeit der Schübe. «Die grösste Herausforderung beim Behçet Syndrom ist die Kombination aus dem seltenen Auftreten in unserer Region sowie der ganz unterschiedlichen Manifestation, weshalb die Erkrankung häufig nicht auf Anhieb richtig diagnostiziert wird, insbesondere wenn sie sich nicht mit den klassischen Symptomen präsentiert», sagt der mit der Erkrankung gut vertraute Dr. med. Fabian Lötscher. An der Universitätsklinik für Rheumatologie & Immunologie des Inselspitals finden sich Spezialistinnen und Spezialisten für alle möglichen Krankheiten, die ihr Wissen rege untereinander austauschen und sich gegenseitig beratend unterstützen. «Es ist eine unserer Stärken, dass wir in der Klinik auf ein umfassendes Expertenwissen zurückgreifen können. Weil wir diagnostisch und therapeutisch oft komplizierte Fälle betreuen, tauschen wir uns gewohnheitsmässig aus und besprechen die anspruchsvollsten Fälle regelmässig in interdisziplinären Boards», hebt der behandelnde Arzt von Celine C., Dr. med. Matthias Gasser die fach- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in der Klinik hervor. Solche Boards setzen sich auch zusammen aus Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Kliniken wie etwa beim Board für immunologische Hautmanifestationen bei Autoimmunerkrankungen (Rheuma-Derma-Hämat) oder mit der Nephrologie, Neurologie, dem Wirbelsäulenboard oder Schmerzboard.

Mensch im Vordergrund
Trotz aller diagnostischer Kompetenz steht die Behandlung der Menschen im Vordergrund: «Wir sind uns bewusst, dass unsere Patientinnen und Patienten aufgrund ihrer oftmals schon längeren Krankheitsgeschichte auch emotional die bestmögliche Betreuung benötigen», ergänzt Gasser. Dies spiegelt auch die Erfahrung von Celine C., die sich stets gut aufgehoben gefühlt hat und betont, dass «sich alle Mitarbeitenden stets voller Empathie und Engagement sehr fokussiert auf mich konzentriert haben.» Besonders eindrücklich ist für sie der Umstand, dass in einem riesigen Universitätsspital so viele Rädchen scheinbar mühelos ineinander greifen. Sie selbst hat einige davon kennengelernt. So sollte sie sich für eine Computertomographie-Untersuchung abends in der Universitätsklinik für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie einfinden. «Ich hatte die Adresse wohl überlesen und irrte auf einmal etwas planlos auf dem Insel-Campus umher. Eine Mitarbeiterin, die offensichtlich nach Feierabend auf dem Heimweg war, erkannte meine Lage und begleitete mich bis zum richtigen Ort – dieses Engagement hat mir sehr imponiert», zeigt sich Celine C. beeindruckt von der Haltung der Mitarbeitenden des Inselspitals. Dorthin muss sie übrigens weniger oft als früher. Aktuell erhält sie eine andere medikamentöse Therapie in Selbstmedikation. Dank einer Anwendungsschulung in der Rheumatologie führt sie diese sorgenlos durch. 

Veranstaltungshinweis: 
Am Symposium für Rheumatologie/Immunologie und Neuroimmunologie am 1. Dezember 2022 am Inselspital sprechen Prof. Dr. Aksel Siva von der Universität Istanbul und Dr. med. Fabian Lötscher vom Inselspital über das Behçet-Syndrom. 

Dr. med. Matthias Gasser im Gespräch mit Celine C.

Celine C. lernt unter kundiger Anleitung den korrekten Umgang mit Pens zur Selbstmedikation.

Selbstinjektion des Medikamentes

Nachkontrolle in der Rheumatologie