Bio-Stents erhöhen Herzinfarkt-Risiko

Biologisch abbaubare Stents galten als Ideal-Lösung bei verengten Herzkranzgefässen. Doch statt sich in Wohlgefallen aufzulösen, führen die «Bio-Stents» paradoxerweise häufiger zu weiteren Infarkten als herkömmliche Metall-Stents. Eine Studie der Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital kommt dem Rätsel auf die Spur.

Seit dem ersten erfolgreichen Einsatz eines Ballonkatheters 1977 suchen Forscher weltweit den idealen Stent zur Behandlung von verengten Herzkranzgefässen. Grosse Hoffnungen lagen auf einem 2011 zugelassenen Polymer-Stent aus Milchsäure, der sich innerhalb von drei bis vier Jahren komplett auflöst. Doch Studien diesen Jahres zeigen, dass der Bio-Stent sein Versprechen nicht einlöst, sondern sogar mittelfristig das Risiko weiterer Herzinfarkte erhöht. Berner Kardiologen fanden nun heraus, warum das so ist.

Wenn «Bio» krank macht

Da mit dem Bio-Stent kein Fremdkörper im Gefäss verbleibt, hoffte man ursprünglich, Irritationen der Gefässwand würden weniger häufig auftreten. Das Gefäss sollte sich selbst regenerieren. Die jüngsten Studien zum Stent zeigen nun aber, dass Bio-Stents zu bedeutend mehr Komplikationen führen – insbesondere auch mehr als ein Jahr nach der Implantation. Als Folge nahm der Hersteller das Produkt vor wenigen Wochen weltweit vom Markt.

Warum Komplikationen auftraten, war zunächst unklar. Nun haben Forscher des Inselspitals unter Leitung des Kardiologen Prof. Dr. Lorenz Räber die Ursache entdeckt. Die Kardiologen des Berner Universitätsspitals hatten in Zusammenarbeit mit Universitäten aus Europa und Asien 36 Patienten und Patientinnen untersucht, die späte Bio-Stent-Verschlüsse, also über ein Jahr nach Implantation, erlitten hatten. Erst mittels optischer Kohärenztomographie, einem Bildgebungsverfahren, das nahezu mikroskopische Bilder aus dem Inneren der blockierten Gefäss liefert, wurde die Ursache sichtbar:

«Die Befunde haben uns überrascht», sagt Lorenz Räber. «Obwohl die Stents korrekt implantiert wurden, sahen wir Einbrüche des Stentgerüsts ins Innere des Gefässes.» Eigentlich macht der Stent das, wofür er konzipiert wurde: Er löst sich in einzelne Fragmente auf. «Sind diese Fragmente aber noch nicht vollständig in die Gefässwand eingewachsen, können sie im Rahmen des Auflösungsprozesses in den Blutstrom fallen. Dort führt dies zu einer gefährlichen Gerinnselbildung und damit zum Herzinfarkt.» 

Blutverdünner essentiell

«Als direkte Konsequenz dieser Resultate empfehlen wir unseren Patienten mit solchen Stents, die Blutverdünnung mit zwei Plättchenhemmern weiterzuführen. Und zwar über drei bis vier Jahre anstelle von normalerweise einem Jahr», erklärt Räber. «So schützen wir die Bio-Stent-Träger vor unerwarteten Gefässverschlüssen.»

Stent quo vadis?

Die Erkenntnisse der Studie sind auch wichtig, um Nachfolgemodelle zu verbessern. Dünnere Stentstreben und eine schnellere Auflösung wären wichtige Verbesserungen, um die aktuellen Probleme zu lösen. Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) unter Leitung von Prof. Dr. Stephan Windecker, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital, Universitätsspital Bern, hat hierzu kürzlich Leitlinien veröffentlicht. Das Berner Inselspital ist weltweit anerkannt für die Erforschung und klinische Anwendung von Stents und der intrakoronaren optischen Kohärenztomographie. Am Inselspital wurden Bio-Stents fast ausschliesslich im Rahmen von Studien implantiert und fanden bislang keine Anwendung in der klinischen Routine.

Prof. Lorenz Räber zeigt im Herzkatherlabor des Universitätsspitals Bern am Monitorbild die Einbrüche des Stentgerüsts ins Innere des Gefässes (Foto: Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital).

Zehn Monate nach Implantation bestätigt eine Aufnahme mit optischer Kohärenztomographie die korrekte Position des Bio-Stents (links). Dennoch sind sechs Monate später die Stentstreben eingebrochen (Bild rechts). Dies führte zu Gerinnselbildung und Herzinfarkt.